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Körber 2025, Thalia

Bavarokratie und Im Grünen

Wann bereichern sich Kulturen gegenseitig, wann stehen sie nur nebeneinander und können aber keinen neuen Sinnzusammenhang erschaffen? Darauf könnten die Kostüme der Produktion „Bavarokratie“ eine Antwort geben. In einer Mischung aus bayerischen und griechischen Trachten, die mit T-Shirts aus Touristenshops angereichert sind, verwirren sie mit all ihren Versatzstücken so sehr, dass sie zu einem beliebig erscheinenden Sammelsurium für das Auge werden. Auch das Zusammentreffen der beiden Sprachen Griechisch und Deutsch auf der Bühne schafft eher Missverständnisse bzw. befördert sogar ein Nichtverstehen. Alleine in der Musik und in der Bewegungschoreographie scheinen die beiden Kulturen perfekt zu harmonieren. Da fließen die Traditionen so ineinander, dass die Übergänge kaum zu merken sind.

Das Stück beleuchtet ein den Deutschen größtenteils unbekanntes Feld der Geschichte, das aber in Griechenland zur gepflegten Erinnerungskultur gehört. In Jahre 1832 wurde ein bayerischer Fürst König von Griechenland. Otto von Wittelsbach wurde nach der Griechischen Revolution gegen die Herrschaft der Osmanen zum König ernannt. Zusammen mit seiner späteren Frau Amalia blieben sie dreißig Jahre in Athen, bis sie von dort vertrieben wurden und nach Bayern zurückkehrten. Schlagbauer von der Otto Falckenberg Schule widmet sich in ihrem Stück, das zusammen mit einem multiprofessionellen und multikulturellen Team aus Deutschen und Griechinnen entstanden ist, weniger den politischen Verwicklungen als vielmehr dem Zusammentreffen der beiden Kulturen, das durch die ungleichen Machtverhältnisse belastet ist. Für die in dieser Geschichte unkundigen Zuschauer:innen bleiben in dem Spiel mit kurzen Szenen, viel Ironie und wenig erklärendem Text die Zusammenhänge oft rätselhaft. Eine Inszenierung, die zwar mit ihrer Spielfreude Spaß macht, aber mit vielen Fragen zurücklässt.

Umso klarer erschien das Konzept der zweiten Inszenierung am Eröffnungstag, „Im Grünen“ von Fides Rosa Wallis und Teresa Jägle von der Uni Hildesheim. Sie trägt zwar das Grün im Titel, aber auf der Bühne sind nur verdorrte Baumstämme zu sehen, die schon lange kein Grün mehr gesehen haben. Sie hängen von der Decke, mittendrin ein Klavier. Minutenlang hat das Publikum Zeit sich mit dieser Wüstenei vertraut zu machen. Bis nach einer gefühlten Ewigkeit die Türen aufgehen und ein Auto hereingeschoben wird. In ihm eine ganze Schar von Musikern, die anscheinend zu einer Fahrt ins Grüne aufgebrochen sind. Inklusive riesiger Trommel, die kaum wieder aus der Autotür herauszubekommen ist. Nach einem Sektfrühstück auf der Motorhaube und einem kleinen Ständchen am Klavier nähern sie sich dem schon verendeten Wald. Sie kommen zu spät, doch das scheint sie nicht zu interessieren. Sie feiern nur sich selbst. Hauptsache, sie haben eine Kulisse für ihre Musik. Da werden Klarinetten ausgepackt, die Noten in die Bäume gehängt, vor einem Dirigenten-Video ein Kunstlied gesungen, ein Popsong zwischen dem Totholz gegeben und das Schlagzeug neben dem Auto aufgebaut. Die Tiere des Waldes sind schon lange nicht mehr da. Nur eine Videoaufnahme von einem mümmelnden Häschen ziert die Videoleinwand und etliche ausgestopfte Tiere in Plastikfolie zeugen von einer belebteren Vergangenheit. Zum Schluss wird auch der Sänger des Popsongs unter eine solche Folie gesteckt und die übrigen Musiker verziehen sich wieder ins Auto. Bald werden wohl auch sie daran glauben müssen. Ihre Tage scheinen gezählt. Ein melancholischer und dennoch humorvoller Abgesang auf die Natur inklusive des Menschen, der sie zerstört hat.

Birgit Schmalmack vom 29.5.25

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