Die schmutzigen Hände, Thalia
Alles Lüge
Alles Lüge
Jessika (Carol Schuler) und Hugo (Steven Sowah) sind ein eingespieltes Paar. Sie springen in ihrer Beziehung von einer Rolle in die nächste. Auch wenn einer von ihnen mal zur Ernsthaftigkeit mahnt, lässt der nächste Joke nie lange auf sich warten und die beiden brechen schon wieder in Gelächter aus. Doch Hugo ist dieser unterhaltsamen, aber belangslosen Comedyshow seines Lebens schon lange überdrüssig. Er sucht nach Inhalten und Idealen, für es sich einzustehen lohnt. Er hat sich der Partei der Proletarier angeschlossen, die für große kommunistische Weltrevolution steht. Bedingungslos will er sich in ihren Dienst stellen. Dass man ihn zunächst als Schreiber einsetzt, passt ihm gar nicht. Er will kein Intellektueller sein, er will etwas tun. Also schickt ihn die Partei als Sekretär zu Parteiführer Hoederer (Wolfram Koch), der sich von den Zielen der Partei abgesetzt hat, nun kompromissbereite, eigene Machtambitionen verfolgt und dafür liquidiert werden soll. Doch Hugo ist von diesem charismatischen Mann so angetan, dass er seine Tat immer weiter hinausschiebt. Nur durch ein weiteres Spielchen seiner Frau drückt er dennoch den Abzieher.
Jan Bosse stellt in den Mittelpunkt seiner Inszenierung von Satres "Die schmutzigen Hände", die zur Eröffnung des diesjährigen Hamburger Theaterfestival als Gastspiel des Schauspielhauses Zürich im Thalia Theater zu sehen war, nicht den ideologischen Konflikt um die politischen Auffassungen, sondern die zum Scheitern verurteilte Annahme, dass es um die Suche nach der einen, richtigen Wahrheit gehen würde. Diese muss scheitern, weil genau diese Wahrheit keine Ausflüchte mehr gestatten würde. Hugo sucht und fürchtet sich zugleich vor dieser Eindeutigkeit. Er liebt die Spielchen der Belanglosigkeit, in denen alles möglich ist. Das zunehmende Gefühl der Leere und Langeweile, das sich genau deswegen in ihm ausbreitet, lässt ihn ein williges Opfer für die Ismen in der Parteiideologie werden. In einem Klima der Beliebigkeit, der Dauerevents, der Spaßberieselung gedeihen Ideologien mit strikten Handlungsanweisungen, die das Denken nicht benötigen, hervorragend.
Bosse scheint in der ersten Hälfte eher eine Komödie als ein Drama in Szene setzen zu wollen. Er kann und will diese Politikstrategen nicht ernst nehmen. Die Handlung spielt sich in einer Bar mit einem riesigen Alkoholvorrat und Berieselung durch melancholische, französische Chansons ab. Erst in der zweiten Hälfte, nachdem sich nach einer 180-Grad-Drehung eine bunt-abstrakte, kahle Rückwand zeigt, die sich langsam in ihre Einzelteile zerlegt, interessiert er sich für die Psychologie der handelnden Personen und erlaubt eine Einfühlung in ihre Gedanken und Gefühle. Das liegt nicht zuletzt an dem ausdifferenzierten Spiel von Wolfram Koch und Steven Sowah, die in ihren Dialogen nicht nur Oberfläche, sondern auch Tiefe zeigen. Wenn sich zum Schluss des Stückes auch die Gründe für Hugos Tat als von der Geschichte längst überholt herausstellen, ist das nur ein weiterer Seitenhieb auf die Weltverbesserungsideologien, die hier vor sich hergetragen werden.
Birgit Schmalmack vom 4.5.25

Die schmutzigen Hände, Theaterfestival
Armin Smailovic/Schauspielhaus Zürich
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