Die Nichtstuenden, Lichthof
Das Nichtstun ist und bleibt die unverschämteste F
Das Nichtstun als ein Akt des Widerstands? Als eine Rückbesinnung auf das Eigentliche? Als eine Form der Meditation, die das Gehirn erst richtig zum Arbeiten bringt? Oder als einen Hinweis auf die Vergeblichkeit allen Leistungsstrebens? Das wäre wahrhaft revolutionär.
So waren Meyer&Kowski äußerst interessiert, als sie von der DO-NOTHING-INITIATIVE erfuhren, die eine Konferenz am Lake Bled in Slowenien veranstalteten. Sie meldeten sich an und betraten eine ganz eigene Welt. So behaupten sie wenigstens am Abend im Lichthof. Um den Zuschauer:innen in sie eintauchen zu lassen, haben sie ihnen freundlicherweise zwei „Reanactments" mitgebracht.
Im ersten tritt Susanne Reifenrath als stumme Clownin auf. Unsicher wagt sie sich Schritt für Schritt auf die Bühne. Sie kämpft mit ihren Ängsten, übt Teebeutelweitwurf, vertauscht Handys und holt rote Nasen aus ihrem Köfferchen. Sie verteilt rote Luftballons und kurze Entspannungsmomente auf der Schulter des Nachbarn. Wunderschöne Bilder entstehen dabei:
So ist der dunkle Schatten über ihrem Kopf ein schwarzer Luftballon, der an ihrer Perücke befestigt ist. Als sie sich von ihm befreit, rutscht diese gleich mit vom Kopf. Voller Scham über ihre plötzliche Nacktheit verbirgt sie ihr Gesicht hinter ihren Händen und bricht in ein jämmerliches Gewimmer aus. Sie braucht Trost, sucht und findet ihn bei einem zufällig ausgewählten Zuschauer. Bald darauf lehnen alle Zuschauer:innen, die in einem U auf der Probebühne des Lichthofs sitzen, an der Schulter eines Nachbarn.
Die Clownin übt hier eine Form des „Nichtstuns“ aus, die melancholischen Spaß verbreitet. Sie stiftet mit ihren kleinen Handlungen, die keinem Leistungsanspruch genügen müssen, Momente der Gemeinschaft, des Loslassens und der Freude. So bekommen alle zum Schluss einen roten Luftballon in die Hand gedrückt und lassen ihn gleichzeitig in den noch blauen Himmel steigen. Lauter rote Punkte, die Richtung Fernsehturm entschweben. Eigentlich eine hervorragende Überleitung zum zweiten Teil des Reanactments.
In ihm tritt Marc von Hennig als der schottische Comedian Douglas auf. Er warnt sein Publikum vor: Häufig öffne er nur seinen Mund und lasse einfach all die Wörter heraus, die durch seinen Kopf kreisen. Und schon geht es los: Das Leben sei wie ein Larvenstadium, es bereite nur auf das Totsein vor. Insofern seien alle hier im Lichthof Versammelten eigentlich Tote, die nur noch nicht tot seien. All die Aktionen, die die Menschen während ihres Erdendaseins an den Tag legen, damit wohl eher überflüssig.
Douglas stellt erstaunt fest: Sein eigentliches Thema für den heutigen Abend habe er wieder einmal total verfehlt. Also ein Neuanfang. Er betritt ein zweites die Bühne. Da er wie andere Menschen Birdwatching Peoplewatching betreibe, sei er auf den menschenscheuen Nachbarsjungen Shoji Morimoto gestoßen. Im Laufe seines erfolglosen Erwerbslebens sei Shoji darauf gekommen, dass er nur ein einziges Talent habe: Sein Talent zum Nichtstun. Er beschloss, es zu nutzen und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ab da vermietete er sich an Menschen, die eine nichtstuende Begleitung wünschen. Es sind erstaunlich viele. Nicht nur in Schottland, wo Douglas auf Shoji traf, sondern sogar in dem Land der Superfleißigen, in Japan. Douglas hält zum Beweis, dass er sich diese Geschichte nicht ausgedacht hat, ein Buch in die Höhe. Es trägt den Titel „Rental Person Who Does Nothing“. Mit dem Nichtstun Geld verdienen, in einer Leistungsgesellschaft ein Widerspruch, den es eigentlich nicht geben dürfte.
So lernt das Publikum in diesen „Reanactments“, die natürlich sehr frisch daherkommen, zwei Formen des widerständen Nichtstuns kennen. Auf sehr charmante Weise und im Gegensatz zu den möglichen Erwartungen an Performances, die sich mit dem Nichtstun beschäftigen, keine Sekunde langweilig. Hier passiert ganz viel, nicht nur auf der Bühne sondern auch im Kopf. Genauso wie Meyer&Kowski es zu Beginn versprochen haben.
Birgit Schmalmack vom 18.5.25
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