Lenz, Kampnagel
Im Kampf mit sich selbst
Zwei junge Männer (Luis Brunner, Lucas Zach) tanzen zu poppiger Musik auf dem Rasen um ihre Bluetoothbox herum. Noch scheint es ihnen gut zu gehen. Doch Sekunden später ist ihre Stimmung gekippt. Dann ertönt Heavy Metal und die Beiden rüsten sich zum Kampf gegeneinander. Immer größer werden die Geschütze, die sie gegeneinander auffahren. Doch als der Eine auf einem der Erdhügel zusammensinkt, bekommt der Andere Panik. Doch kein Spiel? War der letzte Schuss etwa tödlich? Dann grinst der Getroffene verschmitzt und die beiden haben sofort ihren neuen gemeinsamen Gegner gefunden: das Publikum, das sie nun ins Visier nehmen. Wie in immer neuen PC-Games jagen die beiden Jungs sich über das Rasenfeld, ziehen sich bald ihre T-Shirts aus und werfen sich gegenseitig auf den Boden, bis sie ganz mit Schweiß und Erde bedeckt sind. Doch trotz ihrer Stirnlampen werden sie keine Orientierung finden, trotz ihrer Spaten werden sie nichts außer Rasensoden unter den Grabhügeln finden.
Die zwei kurzen eingespielten Textpassagen lassen ahnen, wer hier unterwegs ist und wonach sie suchen. Es handelt sich um den Schriftsteller Lenz, der hier im Gebirge herumirrt. Er versucht sich selbst zu finden und eine Kinderleiche wieder zum Leben zu erwecken. Vergeblich. Zum Schluss verpackt der eine Lenz den anderen Lenz in eine komplette Ritterrüstung. Nun ist er zwar fast bewegungsunfähig, aber zumindest vermeintlich geschützt.
Alina Sobatta versucht in ihrer Abschlussarbeit die Erzählung „Lenz“ von Georg Büchner in eine performative Bewegungsarbeit ohne Worte zu übertragen. Sie hat den Mut, sich ganz vom Text zu lösen. Zunächst gelingt ihr das auch sehr souverän. Doch je mystischer und dunkler die Szenerie wurde, desto schwieriger wurde der mögliche Zugang zum Verständnis des Geschehens auf der Bühne. Mit ein wenig mehr Erklärungshilfen durch den Büchner-Text wäre der Abend für die Zuschauenden sicher noch spannender und nachvollziehbarer gewesen. So arbeiten sich die beiden Schauspieler auf der Bühne auf bewundernswert hingebungsvolle und ausdrucksstarke Weise ab, aber der Kontext bleibt weitgehend im Dunkeln. Man könnte auch sagen, sehr konsequent, denn so düster und ziellos blieb schließlich auch Lenz eigenes Herumirren auf der Suche nach einem Lebenssinn.
Birgit Schmalmack vom 2.6.25
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